Rede von Katharina Krefft, schulpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Ratsversammlung am 17. Mai 2017 zu Schulbauvorlagen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren und Damen Stadträte
werte VertreterInnen der Medien und liebe Gäste,

Ich spreche zur Sammelvorlage und zu sieben weiteren Schulbauvorlagen, habe also 40 Minuten Zeit. Los geht`s:

Am Wochenende warteten 450 Menschen mit ihren kleinen Kindern vor einer neuen Kindertageseinrichtung. Das Bild von dieser Menschenschlange ist tief beeindruckend – und es bewegt. Es bewegt die Eltern. Es bewegt bundesweit die Medien. Es bewegt die Politik. Man sollte meinen, es bewegt auch die Stadtverwaltung dazu mehr zu tun! Die Kinder sind geboren und sie warten auf den Kitaplatz und sie werden in die Schule kommen und sie werden in die weiterführende Schule kommen. Wir können es genau berechnen, wann, und mit hoher Genauigkeit, wo.

Mit den folgenden Vorlagen beschließen wir also über Erweiterungen und Anbauten, Sanierungen und Neugründungen. Aber wir beschließen zum Beispiel über eine Quartiersschule, die bis 2019 ans Netz kommen sollte. Nun wird nur die Oberschule 2021 erwartet und laut Entwurf SEP wird das Gymnasium vier Jahre später folgen. Weil wir Grüne es im Haushalt so beantragt haben, beschließen wir heute auch über die Planungsmittel für das Gymnasium, damit es eher kommt!
- Auch andere Schulbauvorhaben kommen deutlich später - aber das werde ich beim Schulentwicklungsplan thematisieren.

Die Sammelvorlage lässt ahnen, dass eine neue Zeit angebrochen ist: Der Oberbürgermeister hat es auf Druck des Stadtrates erkannt, dass alle Fachämter zusammenarbeiten müssen, - und jetzt ziehen sie an einem Strang (???) und sie bemühen sich, schneller zu werden. Die Sammelvorlage ist gewisser Maßen des erste sichtbare Produkt der schnellen Truppe Schulbau.

Zur Schnelligkeit gehört ein Schulentwicklungsplan. Der aktuelle ist gerade im Verfahren, aber Grundlage für die Bauvorhaben, die hier in unserer Tagesordnung beschrieben werden, waren die letzten Schulnetzpläne aus dem Jahren 2012 und 2016.

Und schon mit diesen wurde mehr Bewegung versprochen. Ich darf an einen Sammelbeschluss aus 2015 für die Planung von baulichen Investitionen an 16 Standorten erinnern. Hier haben wir heute weitere Ergebnisse, also tatsächlich Baubeschlüsse.

Immerhin. Es bewegt sich was. Nach der Olympiadelle, die wir immer noch nicht aufholen konnten. Nach IZBuB-Investitionen in Zukunft und Bildung, nach den Konjunkturpaketen, und dann dem „40 Millionen Schulhausbau kreisfreie Städte Programm“ – alles Programme, die kurzfristig aufgelegt wurden und die schnell geplant und beschlossen werden mussten. Denn, das sei nicht vergessen: für die Schublade war von den beiden Bürgermeistern Prof. Fabian und zur Nedden nichts geplant. Erst mit den Programmen begann die Formulierung von Projekten.

Das war. Wir beschließen fortan Bauten, die mehr Vorbereitung hatten. Und damit will ich ein weiteres Feld öffnen:

Ich habe von dieser Stelle aus schon einmal gemahnt, wer der Auftraggeber dieser Schulen ist. Das Schuldezernat von Prof. Fabian. Wo und welche Schule entsteht, das legen Sie mit ihren Leuten fest.
Kein Auftrag - kein Bau,
keine Eckdaten - kein Gebäude,
keine Schulbauvorgabe - kein Bildungsort.

Meine Herren meine Damen, wir sind Getriebene,

weil der Auftrag viel zu lange nicht kam. Das Gymnasium Leipziger Osten wurde 2011 vorgeschlagen – ein Auftrag aus dem Stadtrat erging 2012. 10 Jahre für eine Schule, das verantworten Sie, Prof. Fabian!

  • wir entscheiden zu spät, weil Grundstücke seitens Liegenschaftsamt unter Bürgermeister Albrecht nicht klargemacht werden wie beim Bayrischen Bahnhof, beim Jahrtausendfeld, in der Rolf-Axen-Straße oder oder oder, und weil die Finanzierung nicht passt. Es ist unglaublich, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des AGM nur noch damit beschäftigt sind, die Bauvorhaben in die Finanzierungen hinein zu rechnen, statt auf der Baustelle Aufsicht über den Baufortschritt zu halten.
  • und wir bauen Schulen von gestern, weil entgegen eines Stadtratsbeschlusses die Schulbaurichtlinie von 1992 zur Grundlage genommen wird. Bis heute und in allen Ausschreibungen. Ich habe das erst vor einem halben Jahr erfahren und sogleich heftig kritisiert, ich weiß auch um personelle Konsequenzen.  Aber die Weisung (!), sich an den Beschluss des Stadtrates zu halten, ist weiterhin nicht formuliert!  
  • Die Schulen, die hier beschlossen werden, sind funktional. Sie lösen nur ein Problem: Kapazität. Sie bieten: kasernenartige Klassenräume, kleine Zimmer, und das in einer Stadt, die immer enger wird. Die Kinder erleben Enge statt Freiheit. Sie wohnen beengt, weil es an Wohnraum für Familien mangelt. Sie können sich kaum im öffentlichen Raum bewegen, weil dort das Auto, auch mit ihrem Segen, Herr Oberbürgermeister, Vorrang bekommt. Sie bekommen 6 m² Fläche auf dem Pausenhof zugewiesen und teilen sich im Hort den Raum mit der Schule.


Wir haben hier im Rat die Erstellung einer Schulbaurichtlinie beschlossen, die angelehnt ist an die Empfehlungen der Montagstiftung. Ich wiederhole diese Empfehlungen hier, weil sie wichtig sind, weil sie beschreiben, was eine Schule zu einem Bildungsort macht: Ein zeitgemäßer Bildungsort

  • birgt vielfältige Lern- und Erfahrungsräume
  • ermöglicht Barrierefreiheit
  • bietet variablen Arbeitsformen Raum
  • erlaubt eine zeitgemäße technische Ausstattung
  • profiliert kulturelles Lernen
  • leistet Beiträge zur gesunder Lernumgebung
  • eröffnet demokratisches Lernen
  • ist Vorbild im Umgang mit Umwelt und Technik
  • Öffnet die Schule zur Stadt – die Stadt öffnet sich zur Schule
  • beschreibt den Umgang mit Bestandsgebäuden
  • beteiligt bei einem Schulneubau oder einem Schulumbau
  • beinhaltet ein ausgewogenes Musterraumprogramm, z. B. orientiert an den Bedürfnissen von Ganztagsschulen.

Damit komme ich zum Schluss meiner schulpolitischen Rede. Die Bildungspolitische Stunde ist heute ausgefallen – wieder wird der Inhalt erst nach dem Bau besprochen. Wir haben bildungspolitische Ansprüche! Sie, Prof. Fabian, formulieren diese wie in einem Aufsatz??? Aber diese Ansprüche finden sich im Schulbau nicht wieder, weil wir - wie doof - Kapazitäten schaffen. Wir haben Stadtratsbeschlüsse, die nicht umgesetzt werden. Und: Es wiederholt sich.
Auch das Umsteuern bei den Kitas beschloss der Rat frühzeitig, nämlich 2005. Dabei wurde der Bedarf betrachtet und die Bedarfsdeckung (!) mit Kitas - und zwar des echten Bedarfes, und nicht den geringeren, den sich die Verwaltung vorstellte!

So, wie das vergeigt wurde, wird auch der Schulbau vergeigt. Allein Sie lehnen sich zurück und gucken betroffen. Herr Oberbürgermeister Jung, sichern Sie die Einhaltung von Stadtratsbeschlüssen zu! Denn wir brauchen mehr Bewegung!

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