Rede von Dr. Tobias Peter am 24. April 2024 zur Vorlage " Konzept zur Verkehrsberuhigung in Volkmarsdorf und Neustadt-Neuschönefeld nördlich der Eisenbahnstraße"

Foto: Martin Jehnichen

- es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werte Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste,

wir alle sind hier zum Wohle unserer Stadt. Wir sind gewählt, um Missstände beseitigen oder zu vermindern und alles dafür zu tun, dass unsere Stadt lebenswert wird, ein Ort, an dem wir uns wohlfühlen können. Zuallerst sollte dies für unsere Nachbarschaften gelten. Sie sollten uns ein Zuhause sein, wo Kinder Platz zum Spielen haben, man sich seinen Freund*innen zum nachbarschaftlichen Kaffeetrinken treffen kann, im Schatten der Bäume. Wo Großeltern entspannt über die Straße schlendern. Wo sie und unsere Kinder ohne Sorge Fahrradfahren können. Wo wir uns in heißen Sommer wohlfühlen können.

Ist das die Realität in unseren Stadtvierteln? Kaum. Rasender Durchgangsverkehr in den Wohnquartieren, selbst vor Schulen, der jeden Schritt über die Straße zum Wagnis macht. Kaum Platz zum Verweilen, stattdessen Asphalt über Asphalt. Autos nehmen uns den Platz und die Luft zum Atmen. Ständige Lärmbelastung macht uns krank. Asphalt, Gemäuer und Autos speichern in den immer heißer werdenden Sommern die Hitze und rauben uns den Schlaf. Statt kühle Nachbarschaften finden wir Hitzeinseln vor.

Viele Bürgerinnen und Bürger haben diesen Zustand satt. Zurecht. Sie fordern mehr Ruhe, mehr Sicherheit und mehr Platz für sich, ihre Familien, ihre Kinder. In vielen Städten Europas, Deutschlands und in Leipzig. In Volkmarsdorf und Neustadt-Neuschönefeld hat sich vor gut drei Jahren eine Initiative gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Durchgangsverkehr aus dem Viertel herauszuhalten und mehr Platz für Grün, Austausch und Spiel im Quartier zu schaffen. Denn gerade Corona hat gezeigt, dass es daran mangelt.

Die Wohnbevölkerung ist hier in den letzten Jahren um ein Drittel gewachsen, das am dichtesten besiedelte Quartier in unserer Stadt. Die PKW-Dichte ist im Stadtvergleich am geringsten, nicht einmal jeder fünfte Einwohner hat ein Auto. Und dementsprechend spielt sich jetzt schon der Großteil des Verkehrs zu Fuß und Rad ab. Im Gegensatz dazu ist ein Großteil des öffentlichen Raums durch Stellplätze belegt. Die Innenhöfe sind im Stadtvergleich sehr klein, die Grünflächendichte am geringsten. Ein Drittel des PKW-Gesamtverkehrs im Quartier ist Durchgangsverkehr, ein Großteil davon vor einer Grundschule. Der Handlungsbedarf liegt also auf der Hand.

Mit der Idee, ein grün-blaues Netz von verkehrsberuhigten Straßen vom Rabet bis zum künftigen Stadtteilpark Volkmarsdorf zu entwickeln, hat die Initiative eine Förderung vom Bund durch das Programm Post-Corona-Stadt erhalten. Entstehen sollen dritte, konsumfreie Orte für Austausch und Begegnung, Straßen, auf denen Kinder endlich wieder spielen können mit zusätzlichen Grün, das in Hitzesommern Kühle spendet.

Vorbild sind die Superblocks in Barcelona, die in einem ähnlich hochverdichteten Quartier, mit ähnlich wenig Grün im Umfeld, zeigen, was geht, wie mehr Platz für Fuß und Rad, für Sitzgelegenheiten und Grün geschaffen werden kann.

Mit ihrem Ansatz betritt die Initiative, betreten wir Neuland, in mehrfacher Hinsicht. Das betrifft zum einen das Thema Beteiligung. Ich war selbst wie andere Kolleginnen aus dem Stadtrat Mitglied des Projektbeirats, zu dem alle Fraktionen eingeladen waren. Das ausgerechnet diejenigen, die sich daran nicht beteiligt haben, nun am lautesten gegen das Projekt sind, ist nicht sehr glaubwürdig.

Wohl kaum ein Projekt in Leipzig hat so einen umfangreichen Beteiligungsprozess durchlaufen, die Vorlage zeigt dies eindrücklich. Nicht umsonst gab es dafür eine Nominierung für den Sächsischen Beteiligungspreis. Und deshalb vielen Dank an die Initiative Superblocks für ihr großartiges Engagement.

Und ja, nichts ist so gut, dass es besser werden kann. Hier wie anderswo zeigt sich, dass die Beteiligung auch migrantischer Bürger*innen, Teile der Unternehmerschaft und anderer Gruppen eine Herausforderung ist. Die Stadt hätte hier früher einsteigen können. Daraus können wir lernen. Aber klar ist auch: Beteiligung heißt nicht, dass sich jede Gruppe mit ihren Interessen durchsetzen kann. Und nicht diejenigen, die laut schreien, sind automatisch im Recht. Niemand wird etwas weggenommen, aber vielen etwas gegeben.

Die heute zu beschließende Vorlage wurde sehr sorgfältig erarbeitet, vielen Dank an die Verwaltung, an Thomas Dienberg und sein Team für die intensive Arbeit. Immerhin sind die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Verkehrsberuhigung eines Wohnquartiers sind nicht trivial. Nach Ablauf des Pilotprojekts braucht es für eine dauerhafte Anordnung eine konzeptionelle Grundlage.

Das Verkehrskonzept sieht eine schrittweise Realisierung vor. Zunächst neben dem Erhalt des Pilotprojekts in der Hildegardstraße das Setzen von Diagonalsperren und schließlich Schritt für Schritt die Einführung von verkehrsberuhigten Straßenabschnitten, sogenannten grünen Achsen und einer Fahrradstraße in der Ludwigstraße.

Alles unter weiteren Beteiligung der Anwohnenden, begleitet von zusätzlichen Angeboten für den Wirtschaftsverkehr. Die Kolleginnen von SPD, Linken und Freibeutern haben mit ihren Änderungsanträgen wichtige Ergänzungen gemacht, den wir in Form des Alternativvorschlags der Verwaltung gern zustimmen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Lassen Sie uns heute einen wichtigen Schritt von der autogerechten zur menschengerechten Stadt gehen. Für die Familien und Kinder vor Ort. Wir bitten um Zustimmung zur Vorlage mit den erwähnten Änderungen.

Vielen Dank!

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